Vom Wesen der Magie
Jegliche Magie in Thrimor beruht auf Verbindungen zu den vier magischen Ebenen. „Ebene“ ist dafür allerdings ein wenig treffender Hilfsbegriff, der in einer Zeit entstanden ist, als man das Wesen der Zauberei kaum verstanden hat. Als moderner Mensch kann man sich diese Ebenen mehr wie die Frequenz eines Senders vorstellen denn als konkreten Ort. Wenn man die richtige „Frequenz“ eingestellt hat, „empfängt“ man die richtige Ebene: Feuer, Wasser, Erde oder Luft.
Magische Wesen und magiebegabte Menschen haben gelernt, diese Energien in die physische Welt überzuleiten. Es wird eine Verbindung, eine Art Brücke geschlagen, die man – in Anlehnung an die Metapher der Ebene – als Riss in dem Schleier zwischen den Welten bezeichnet. Menschen interagieren über magische Wörter und Sprüche mit dem Schleier, von Natur aus magische Lebensformen haben für gewöhnlich eine enge angeborene Bindung zu einer der Ebenen und können ohne Sprüche oder Gesten Verbindungen zu dieser herstellen, allerdings nur zu dieser.
Werden die Öffnungen - egal welcher Größe - zu den Ebenen nicht wieder geschlossen, strömt durch diese ungehindert weiterhin Magie in die Welt. Besondere magische Phänomene wie der Farunwald könnten sich auf diese Weise erklären, ebenso die Existenz von Feenwesen und Kobolden, aber auch gefährlichere und ungewöhnlichere Wesenheiten und Ereignisse in Thrimor könnten in diesem Phänomen ihren Ursprung haben. Während magische Wesen die Verbindung zu ihren Ebenen ebenso natürlich wieder schließen können, wie sie sie öffnen, benötigen Menschen dafür sogenannte Norikelsteine. Diese in Ritualen hergestellten Steine sind passiv-magisch und können diese Risse wieder verschließen, indem sie die magischen Strukturen des Schleiers wieder verwischen oder verweben. Die Steine werden dadurch nicht verbraucht, aber größere Risse brauchen auch größere Steine.
Magiebegabte in Thrimor
Trotz aller Bemühungen, dem Volk Bildung und ein grundlegendes Ausmaß an Einsicht über das Wesen der Magie zukommen zu lassen, gibt es noch immer Zauberer, die ohne Vorbildung oder gesetzlichen Rückhalt durch den Grafen Magie anwenden. Doch lasst uns erst über die wichtigste und am weitesten verbreitete magische Zunft sprechen: die Canthari.
Auf der Akademie der magischen Künste lernen junge Schülerinnen und Schüler, die Energien der vier Ebenen durch Spruchformen und magische Gesten zu beeinflussen. Das Studium ist allerdings eine große Herausforderung: Mit der bloßen Kenntnis von etwas Theorie und ein paar Formeln ist es weit nicht getan. Ein richtiger Magier muss das Wesen der Magie verstanden haben, sich im Fluss des geformten Chaos versenken und dabei stets sich selbst im Auge behalten können. Zum Lehrplan gehört Mathematik ebenso wie Kontemplation, Folianthen so sehr wie Meditationsübungen. Außerdem lernen sie dort, verantwortungsvoll mit Magie und mit den Rissen, die sie schaffen, umzugehen. Dies ist auch der Grund, warum die Canthari die Einzigen in Thrimor sind, die Magie nutzen dürfen (und auch die natürlich nicht uneingeschränkt).
Trotzdem entgeht vielen die Möglichkeit, an der Schule zu lernen. Da etwa jeder Zwanzigste oder Dreißigste von Natur aus magiebegabt ist, durchkämmen jedes Jahr Canthari die Dörfer, und bringen Menschen, die für sich oder andere eine Gefahr sein könnten, an die Akademie. In entlegenen Winkeln gibt es aber immer wieder welche, die nicht gefunden werden können. Diese werden dann häufig zu Druiden, den Priestern der Uralten Götter, die mit der Macht der Natur und ihrer Elemente ihre Ziele – welche immer das sein mögen! – verfolgen. Über sie ist noch weniger bekannt als über die Vertreter des Hexentums. Fast ein jedes Dorf hat ein Kräuterweib oder einen weisen Alten am Rand der Siedlung. Diese Hexer und Hexen verfügen über altes Wissen über Kräuterkunde, Heilkunst und Magie. Ihre Werte und Fertigkeiten geben sie mündlich an ihre Schülerinnen und Schüler, nicht selten die eigenen Kinder, weiter. Organisiert wie die Canthari sind sie nicht, aber man sagt, sie würden einmal im Jahr ein wildes Fest feiern. Da diese schrulligen Figuren kaum eine Bedrohung darstellen, Norikelsteine auch in ihrer Tradition vorkommen, und die Dörfler sie oft mit Zähnen und Klauen verteidigen, sieht der Cantharische Orden in der Regel davon ab, sie für ihre unerlaubte Magieanwendung zur Rechenschaft zu ziehen – es sei denn, ihre Magie richtet Schaden an.
Weitere wichtige Anwender von Magie sind das Gefolge von Shabbar, die eine besondere Nähe zum Element Feuer haben, und die Elfen, die einen sehr natürlichen Zugang zur Zauberei haben. Eine besondere Form der Magie haben die Gnome erforscht. Obgleich von Natur aus unempfänglich für die Ströme der Magie, haben sie gelernt, magische Metalle so zu bearbeiten, dass der Fluss der Magie sich an ihnen formt, gleich einem Kanal, der Wasser leitet. Durch diese sogenannten Glyphen können sie magische Effekte bewirken.
Letztlich nicht unerwähnt soll bleiben, dass grundsätzlich jeder Mensch Magie erlernen kann. Manche sind talentierter, manche weniger. Die einen müssen jahrelang studieren, bei den anderen bricht sich Magie ganz von selber Bahn. Wenn jemand so einen intuitiven Zugang zur Magie gefunden hat, aber nicht geschult worden ist, kann er zu einer großen Gefahr werden, weil er mit jedem Spruch einen weiteren Riss in den Schleier reißt, und mehr fremde Energie in diese Welt gelangt.
Insgesamt gibt es drei "Stufen" an Magiebegabtheit, die in Thrimor erlaubt sind:
- Cantharische Magierinnen und Magier: Jeder, der die volle Ausbildung zum Canthari genossen hat, darf im Rahmen des Rechts zaubern. Sie müssen das Symbol der Canthari auf ihrer Stirn tragen.
- Hexerinnen und Hexer: Nicht alle haben das nötige Kleingeld, die nötige Intelligenz und die nötige Freizeit, um die volle Laufbahn zu durchgehen. Trotzdem werden sie - unentgeltlich - an der Akademie geschult, um zu lernen, wie man Norikelsteine einsetzt. Hexer dienen oft als Heiler in der Garde, ziehen als Wahrsager durch die Welt oder verstärken ihre Waffen durch Magie, sind aber keine potenten Zauberer. Jedenfalls ist ihnen gefährliche Magie wie Kampf- oder Beherrschungsmagie grundsätzlich verboten. Sie erhalten ein Dokument, das sie als Hexer ausweist - wirken sie Magie ohne es dabei zu haben, können sie verurteilt werden.
- Bürgschaften: Ein Canthari kann in einer Notsituation einen Fremden unterweisen und ihm auf begrenzte Zeit eine Bürgschaft ausstellen. Das erlaubt dem Fremden, Magie zu wirken - für jeglichen Schaden, den er dabei wissentlich oder unwissentlich anrichtet, steht aber der Bürge gerade. Deswegen übernehmen nur sehr selten Magier Bürgschaften für Fremde. In jedem Fall sollte der Fremde so bald wie möglich die Akademie aufsuchen und sich schulen lassen.