Das Glaubenssystem der Canthari
Seit Jahrhunderten ist der dominante Glaube in Thrimor der an die vier Elementarherren, gelehrt und gestiftet von den alten Magierpriestern der Canthari. Auch wenn neben den Canthari auch der Textorianerorden - gewissermaßen eine Abspaltung der Canthari - stark geworden ist, sind sie die einzige mächtige religiöse Institution in Thrimor, die Grundfeste, auf die der Glauben baut.
Grundsätzlich werden von den Canthari nur vier Götter offiziell geduldet: die vier Elementarherren. Dazu gesellen sich – regional und nach Stand unterschiedlich – noch einige andere Götter, die im Volkstum verehrt werden. Insgesamt sind die Thrimorer recht offen, was den Umgang mit anderen Religionen angeht. Das zeigt sich auch in der Verehrung ihrer verschiedenen Götter.
Die vier Elementarherren sind dabei keine ungreifbaren, transzendenten Götter, die nur von entrückten Eremiten erreicht und von hochgebildeten Professoren erfasst werden können. Sie sind das Wasser, das unseren Durst löscht, die Bäume, die uns Schatten spenden und der Schild, der uns schützt. Wenn ein Thrimorer etwa Reyas Segen erbitten will, kann er einen Priester um seinen Segen bitten, er kann sie aber auch selber anflehen, indem er sich ein Stückchen Erde mit der Linken an die Stirn presst und sie im stummen Gebet um ihren Beistand ansucht; oder er kann aus Wurzeln und Blättern einen Armreif flechten, das er einem Geliebten mit auf den Weg gibt (und vielleicht noch mit Federn schmückt, um auch Eras, den Schutzpatron der Reisenden, gewogen zu stimmen).
Dennoch gibt es zwei Gruppen in Thrimor, die den Göttern näher stehen als die gemeine Bevölkerung. Das sind zum einen die Cantharischen Magier. Der Orden der Canthari erforscht schon seit hunderten von Jahren, wie man auf die Ebenen der Elementargötter durch den Schleier zugreifen kann. Die Zauberer des Cantharischen Ordens nutzen die Kraft der Elemente, um dem Volk Thrimors bei diversen Aufgaben des täglichen Lebens zu helfen und die Gardisten des Landes im Kampf zu unterstützen. Auch so manche magische Gegenstände haben den Weg von der Cantharischen Akademie in das alltägliche Leben der Bevölkerung gefunden. Ein Beispiel dafür ist der sehr weit verbreitete Taschendrache, ein kleiner hölzerner oder metallener Stift mit einem Knöpfchen, das eine kleine Flamme erzeugt. Taschendrachen werden vor allem zum Anzünden von Kerzen und Pfeifen verwendet.
Anders als die Magier, deren Fokus auf der Beherrschung der Mächte liegt, die die Götter den Thrimorern geschenkt haben, sehen sich Priester eher als Vermittler. Sie sind - auch im Unterschied zu den Magiern - in aller Regel nicht auf eine einzelne Gottheit spezialisiert. Für einen Priester besteht die Einzigartigkeit der Schöpfung gerade in der Verwobenheit der Elemente. Priester streben nicht nach Macht, sondern danach, den Willen der Götter zu verstehen und ihren Schützlingen zu deuten. Laien sprechen ihre Priester mit "Mentor" an, was soviel wie "Lehrer" bedeutet. Als Zeichen dieses Anspruchs tragen Priester eine sogenannte Corona, einen Stirnreif mit vier Zacken, die die Elementargötter darstellen. Diese Korona besteht niemals aus Edelmetallen und ist nie mit Edelsteinen geschmückt, sondern besteht aus einfachen Materialien wie Holz, Bein oder Eisen. Das soll ausdrücken, dass Priester zwar über ihrem Volk stehen, aber es nicht beherrschen oder zu beherrschen streben. Der Priester wählt ein Leben der Bescheidenheit und des Dienstes.
Magier und Priester haben sich aus gemeinsamen Wurzeln entwickelt. So mag es auch niemand wundern, dass neben der Cantharischen Akademie die Cantharische Basilika steht. Diese ist die größte Stätte der öffentlichen Glaubensbezeugung an die Elementaren Götter in Thrimor. In Stein gehauene Abbilder der vier Götter zieren das Zentrum der Basilika und erlauben jedem gläubigen Anhänger der Elemente die Anbetung der Schöpfer. In jeder der größeren Städte des Landes befindet sich zumindest ein Tempel zur Huldigung der Elemente und in den ländlichen Regionen haben die Bauern meist auch hölzerne Ornamente angefertigt, die mit Runen beschriftet sind, von einem Cantharischen Priester geweiht wurden und als Abbild der Götter dienen. Weiters gibt es vier Klöster in Thrimor: Zwei Klöster des Incendius, die zugleich Bollwerke sind, in die sich das Volk zurückziehen kann, wenn es angegriffen wird, ein Kloster der Reya, zugleich ein Hospiz, in dem Arme und Kranke aufgenommen, behandelt und genährt werden, sowie ein Kloster der Lyva, in das Reisende von Nah und Fern kommen, um ihre Krankheiten im heilenden Wasser zu kurieren. Lediglich ein Eras-Kloster gibt es nicht, denn von den Priestern und Mönchen des Eras wird erwartet, dass sie ein Leben auf Wanderschaft verbringen und nicht in den engen Kammern steinerner Hallen.
Auch der Prophet Jerik Tollmeren war seinerzeit ein Anhänger der Elemente, nachdem ihm ein Abgesandter der Elementargötter im Traum erschienen war. Er überbrachte dem damaligen Grafen Aptron Thrimos die Kunde von der Prophezeiung, welche sich laut seinen Worten 435Jahre später erfüllen würde, jedoch seither nur in den engsten Kreisen der Thrimorer Grafenfamilie bekannt ist…
Mehr dazu, wie die Religion gelebt wird, findest du unter Religiöse Praxis.
Wasser
Wasser ist der Quell des Lebens und so ist auch Lyva die Göttin des Lebens (außer in manchen ländlichen Bereichen, wo der Glaube an Eluviel fortexistiert). Sie durchdringt alle Bereiche, die mit dem menschlichen Leben zu tun haben: bei der Geburt wird das Kind „getaucht“, d.h. in ein Tauchbecken gegeben, wo der Segen Lyvas auf es herabbeschworen wird. Bei einer Eheschließung steigt das junge Paar gemeinsam in ein Becken oder einen Bach und wenn eine Freundschaft fürs Leben geschlossen wird, trinkt man aus einem Becher (allerdings nur Wasser im weitesten Sinn – das darf dann ruhig auch ein wenig veredelt sein). Die Cantharer rufen Lyva an, wenn es um die Heilung von kranken Menschen und Tieren geht, Heiltränke werden mit ihrer Kraft beseelt. Heiler sind oft Anhänger der Lyva. Im privaten Alltag richtet man Gebete an sie, wenn es um Blessuren und größere und kleine Krankheiten geht oder Kinderwunsch besteht. Darüber hinaus ist Lyva natürlich auch die Hauptgöttin der Fischer und der Bootsmänner.
Redensarten: „lebendig wie Lyva“ = quicklebendig
„einer Frau Lyvas Segen schenken“ = sie schwängern / mit ihr schlafen
Feuer
Incendius verschlingt, was sich ihm entgegenstellt, kann aber auch wärmend und heilsam sein. Ein Leben ohne Incendius ist nicht denkbar, doch seine Hauptaufgaben sind der Krieg und der Tod. Tote werden in Thrimor feuerbestattet. Gerade in letzter Zeit ist die Weisheit des Gottes bestätigt worden, denn durch die Feuerbestattung verhindert Incendius, dass die Leichen wiederauferstehen können, was einen sicheren Schutz vor Untoten darstellt. Eine Seele, die auf diese Weise verbrannt wurde, ist rein von Sünden und geht zum Feuergott, wo sie sich dem Heerband Incendius‘ anschließt, in seinem göttlichen Leib aufgeht, um die Dämonen zu vertilgen.
Entsprechend sind die beiden wichtigsten Incendius-Dienste die Feuerbestattung und das Feueropfer: bei Letzterem werden Geschenke oder ein Teil der Kriegsbeute Incendius übergeben, um ihn für eine Schlacht oder einen Krieg gewogen zu stimmen. Incendius ist der Hauptgott der Armeen und einer der beiden wichtigsten Götter der Thrimorer Garde.
Redensarten: „jemanden zu Incendius schicken“ = „jemanden töten“ (nur gegenüber Gläubigen)
„von Incendius gesegnet sein“ = „ein mutiger/starker Krieger sein“
„wüten wie Incendius“ = „wie ein heißes Messer durch Butter seine Feinde niedermähen“
Erde
Die Erde birgt die Pflanzen und damit die Nahrungsgrundlage aller. Reya ist zuständig für die Fruchtbarkeit der Felder und des Viehs. Sie ist damit die Hauptgöttin der Bauern, der einmal im Frühling und einmal im Herbst ein Fest geweiht ist (1. Anrufung, um sie um ein fruchtbares Jahr zu bitten und 2. Erntedank). Sie ist die lebensspendende Mutter.
Gleichzeitig ist Reyas Leib – das Gebirge – die Lebensgrundlage Thrimors. Sie schützt sie vor Feinden und beherbergt sie in ihrem Leib. Reya wird daher auch bei allen defensiven Akten angerufen: wird eine Festung oder Wehranlage eingeweiht, wird Reya geopfert. Viele Soldaten und Gardisten ritzen das Zeichen Reyas irgendwo in ihre Schilde, die damit die zweite wichtige Gottheit darstellt. Man glaubt, Reya und Incendius seien Gemahlin und Gemahl, was man an vielen Verbindungen sieht (z.B. Schwert und Schild, oder Feuer und Stahl bei der Schmiedekunst, etc.)
Bei Dürre, Unwetter oder dergleichen werden Reya Opfer gebracht, um sie wieder gnädig zu stimmen. Gerade im ländlichen Bereich ist es üblich, in Brotlaibe das Zeichen Reyas einzuarbeiten.
Luft
Eras ist ein launischer Gott. Er wird für Stürme und Gewitter verantwortlich gemacht, treibt aber auch die Wolken herbei, um auf Reyas Leib herabzuregnen und sie fruchtbar zu machen (auch den Thrimorern fällt auf, dass Reyas Leib Früchte trägt, wenn er sie mit ihrem Samen besprenkelt; dummerweise ist Reya eigentlich mit Incendius verheiratet; wenn sie in flagranti erwischt werden, feuert dieser Blitze herab, um seine Frau zu züchtigen).
Eras ist aber auch der Gott der Schutzpatron der Reisenden und der Gott der Wege und damit des Schicksals im Allgemeinen. Eras wird angerufen, wenn man nicht sicher ist, welche Entscheidung die richtige ist oder wie man sein Leben führen soll. Besondere Verehrung gebührt ihm vor allem, wenn man eine längere Reise tut. Gerade die wenigen Seefahrer, die es in jüngster Zeit in Thrimor gibt, bieten ihm regelmäßig Opfer, um ihn gnädig zu stimmen. Freilich zeigen diese Opfergaben nur sehr zufälligen Erfolg.
Redensarten:
„von Eras geküsst sein“ = „leichtsinnig sein, tun, was einem gerade einfällt“
„vom Winde verweht“ = „auf einer langen Reise“
(nur angeschnitten)
Heki – das göttliche Chaos, der chaotische Gott
Nicht offizielle Lehrmeinung, im Volksglauben aber relativ stark als „fünfter Sternzacken Thrimors“ gehandelt. Weder männlich noch weiblich, weder gut noch böse, ist er/sie/es ein unzuverlässiger Gott, von dem man sich gleichzeitig alles Mögliche erwünschen kann. Das Schicksal fällt in Hekis Domäne: Wer mit dem Schicksal hadert, gibt ihm/ihr die Schuld, wer einen besonderen Wunsch hat, opfert Heki bzw. betet zu ihm. Darüber hinaus trägt der Glaube ganz eigentümliche Blüten. So glaubt man, dass Heki sich besonders oft unters Volk mischt und als Reisender an jemandes Türe klopft. Gerade am Land ist es deswegen besonders wichtig, Fremden stets mit viel Gastfreundschaft entgegenzutreten, weil Heki die belohnt, die ihm/ihr Gutes tun und die anderen bestraft. Wahrsager und Bettler klammern sich an Heki, doch selbst zu ehrgeizige Adelsburschen hängen dem Glauben an – und tun damit einen Schritt in die Richtung des Chaos, auf die Gefahr hin, den Einflüsterungen von Dämonen zu erliegen.
Lorem und Eluviel
Lorem und Eluviel sind sehr alte Gottheiten – möglicherweile sind sie sogar aus dem Glauben an die Uralten entstanden. Die Cantharer hatten recht effizient dafür gesorgt, dass der Glaube weitgehend in Vergessenheit geraten ist – weitgehend, denn mit den Untoten flackert auch die Erinnerung an Lorem wieder auf. Er tut dies allerdings nicht in Gestalt einer Totengottheit, zu der man beten kann, sondern als Antithese, als Feind der Götter, dem alles Böse – von Krankheit über Fäulnis über schlechte Charakterzüge bis hin zum Krieg – in die Schuhe geschoben wird. Gerade in letzter Zeit flackert da und dort auch der mit ihm einhergehende Eluviel-Glaube wieder auf und schafft damit ein dualistisches Götterbild, das nur aus dem Erzguten, Eluviel, und dem Erzbösen, Lorem, besteht.